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Unter den Erkrankten im berüchtigten Gharchak-Frauengefängnis im Teheraner Vorort Varamin sind auch politische Gefangene. Der Zugang zu notwendiger medizinischer Hilfe wird ihnen verweigert.
Nach Angaben von Menschenrechtlern haben sich im Gharchak-Frauengefängnis im Teheraner Vorort Varamin mindestens 21 Gefangene mit dem Corona-Virus angesteckt. Dieses Gefängnis ist berüchtigt dafür, dass die Haftbedingungen noch unmenschlicher sind als in anderen Haftanstalten. Politische Gefangene sind dort zusammen mit gewaltbereiten Straftäterinnen in Haft. Brutale Übergriffe gegen die Häftlinge sind an der Tagesordnung.
Darüberhinaus werden die Schutzmaßnamen gegen eine Ansteckung mit COVID-19 in diesem Gefängnis grob vernachlässigt. Neuankömmlinge werden direkt in den Zellen mit den anderen Gefangenen untergebracht, ohne getestet zu werden oder eine Zeitlang in Quarantäne zu bleiben. Viele Häftlinge mit COVID-19-Symptomen wurden gar nicht getestet. Wegen der Überbelegung des Gefängnisses ist es unmöglich, Abstandsregelungen einzuhalten. Den Gefangenen werden weder Schutzmasken noch Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt.
Im Gharchak-Frauengefängnis wird, wie in den anderen Gefängnissen das Teheraner Regimes, insbesondere politischen Häftlingen absichtlich der Zugang zu notwendiger medizinischer Hilfe verweigert. Dies ist ein vorsätzlicher Akt der Grausamkeit, um die Gefangenen einzuschüchtern und zu bestrafen oder um sie zu Reuebekundungen oder „Geständnissen“ zu zwingen. Zahlreiche Gefangene sind aufgrund dieser Praktiken in iranischen Gefängnissen zu Tode gekommen oder haben bleibende gesundheitliche Schäden erlitten.
Unter den im Gharchak-Gefängnis an COVID-19 erkrankten politischen Gefangenen ist die 22-jährige Frauenrechtsaktivistin Saba Kord-Afshari (Bild). Trotz ihres besorgniserregenden Gesundheitszustandes wird ihr die Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses verweigert.
Saba Kord-Afshari ist seit Juni 2019 inhaftiert. Ende August 2019 wurde sie zu 24 Jahren Haft verurteilt, weil sie an friedlichen Bürgerprotesten gegen die Unterdrückung mitgewirkt und sich gegen den Schleierzwang eingesetzt hat. Die Justiz des Teheraner Regimes bestrafte sie mit 15 Jahren Haft wegen angeblicher „Anstiftung zu Unmoral und Prostitution“, weil sie sich öffentlich ohne Kopftuch gezeigt hat, und mit neun weiteren Jahren Gefängnis wegen „Gefährdung der Staatssicherheit und Propaganda gegen den Staat“. Nachdem die Gefangene in Berufung gegangen war, wurde die Haftstrafe im Februar 2021 auf sieben Jahre reduziert.
Bis Anfang Dezember 2020 war Saba Kord-Afshari zusammen mit ihrer Mutter Raheleh Ahmadi, die ebenfalls Frauenrechtlerin ist, im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Am 9. Dezember 2020 wurde sie zwangsweise in das Gharchak-Frauengefängnis verlegt.
Bereits im Juli 2020 hat Bärbel Kofler, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, sich für die Freilassung von Saba Kord-Afshari eingesetzt. Sie erklärte dazu: „Es erfüllt mich mit großer Sorge, dass die ohnehin absurd lange Haftstrafe der iranischen Frauenrechtsaktivistin Saba Kord Afshari jetzt ohne ein faires rechtsstaatliches Verfahren verlängert wurde. Sie hat sich friedlich für die Rechte der Frauen in Iran und gegen die Kopftuchpflicht eingesetzt. Sie hat sich ohne Kopftuch gezeigt und damit anderen Frauen Mut gemacht. Ich appelliere an die iranische Regierung, sie und alle anderen festgehaltenen Frauenrechtsaktivistinnen freizulassen. Menschen- und bürgerrechtliche Verpflichtungen müssen eingehalten werden!“
Angesichts der Corona-Pandemie hat die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, das Teheraner Regime im Oktober 2020 aufgefordert, die politischen Gefangenen freizulassen. Die Lage der Gefangenen im Iran verschlechtere sich und sei äußerst besorgniserregend, teilte Bachelet mit. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus in den überfüllten Gefängnissen seien die Häftlinge einer hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt.
Das Regime habe seit Beginn der Pandemie praktisch keine politischen Gefangenen freigelassen. Menschen, die allein wegen ihrer politischen Ansichten oder ihres Einsatzes für Menschenrechte in Haft sind, so Bachelet, sollten überhaupt nicht in Gefangenschaft sein und schon gar nicht schlechter behandelt werden als andere Häftlinge.